Wenn er sich erinnert, wie es hier nach der Wende ausgesehen hat, wird er nachdenklich. Der Rasen stand meterhoch, die Flächen waren verfallen und ungepflegt, die Gebäude erwiesen sich als so brüchig, dass sie kaum mehr zu gebrauchen waren. Auch die Grabmale lagen zwischen dem Unkraut und bei vielen Eisenkreuzen fehlten ganze Teile. Doch allen Beteiligten war nach diesem desolaten ersten Blick auf den Friedhof klar, dass hier was gemacht werden muss. So begannen die ersten Aufräum- und Restaurierungsarbeiten.
Nun bekommt dieser Garten der Erinnerung einen kleinen Ritterschlag: Er wird neben 24 anderen Orten zum Außenstandort der Bundesgartenschau 2021 Erfurt. Keine Beete, keine Sammlungen spezieller Pflanzen, keine Landschaftsgestaltung, dafür Zauber und Einmaligkeit, das waren die Argumente. Und eben nicht nur. Eine Zeitreise nennt Erich Reiche den Gang über die Fläche. Die drei Eschen sind über zweihundert Jahre alt, die beiden mächtigen Eichen knapp 250. „Das ist der fast einmalige Wert und Reiz dieser denkmalgeschützten Anlage“, erklärt auch Martin Baumann, Thüringens oberster Denkmalschützer für Gartenkultur. „Bereits 1537 diente er als Begräbnisplatz. 1591 wurde die als Gottesacker bezeichnete, zu klein gewordene, Fläche durch Ankauf und Abriss angrenzender Häuser erweitert und bekam mit dem Bau der Umfassungsmauern, der beiden überdachten und säulenbewehrten Arkadengängen und dem Eingangsportal das noch heute erhaltene bauliche Gepräge.“
Ein Friedhof wie in Pisa
Wer den Friedhof besuchen möchte, kommt an Erich Reiche nicht vorbei. Das graue doppelte Flügeltor ist meist abgeschlossen. Der Schlüssel mit dem kleinen Spendenbeutel hängt in Erich Reiches Hof gut 150 Meter vom denkmalgeschützten Gottesacker entfernt. Wer es weiß, der nimmt ihn sich einfach. Wer es nicht weiß, der meldet sich telefonisch an und bekommt die Infos zum Schlüssel.
Baulich gab es über alle vergangenen Jahrzehnte immer mal größere wie kleinere Reparaturen. Es hielt sich aber in Grenzen. Mit der Wende wurde das Denkmal dann zu großen Teilen wiederhergestellt. Das Dach mit seiner Holzkonstruktion, der Turm und die Sandsteinsäulen in den Arkaden wurden überholt. Dann wurden die ersten Grabsteine und –platten restauriert. „Die frappierenden Schäden hat die aufsteigende Nässe aus dem Erdboden an verschiedenen Grabsteinen verursacht. Vor allem Salze haben Sockel, Füße oder Grabsteine beschädigt“, sagt Erich Reiche. Schließlich kamen auch kleine Teile wie schmückende Vasen, die eisernen Kreuze und kleine Details in Restaurierungswerkstätten. Der Camposanto wurde wach geküsst, ein erheblicher Teil der Substanz konnte erhalten werden.