Am 10. November 2021 um 21:03 Ortszeit (11. November 2021, 03:03 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, MEZ) ist der deutsche ESA Astronaut Matthias Maurer an Bord einer SpaceX-Dragon Raumkapsel vom Kennedy Space Center in Florida aus zur Internationalen Raumstation ISS gestartet. Bild: © NASA/Joel Kowsky
Am 10. November 2021 um 21:03 Ortszeit (11. November 2021, 03:03 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, MEZ) ist der deutsche ESA Astronaut Matthias Maurer an Bord einer SpaceX-Dragon Raumkapsel vom Kennedy Space Center in Florida aus zur Internationalen Raumstation ISS gestartet. Bild: © NASA/Joel Kowsky

Mat­thi­as Mau­rer auf dem Weg zur Raum­sta­ti­on ISS

Mit „Cosmic Kiss“ wird für ihn ein lang gehegter Wunsch wahr: Der gebürtige Saarländer Dr. Matthias Maurer ist als vierter Deutscher am 10. November 2021 um 21:03 Ortszeit (11. November 2021, 03:03 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, MEZ) zur Internationalen Raumstation ISS aufgebrochen. Der 51-jährige Materialwissenschaftler aus St. Wendel ist seit Juli 2015 Mitglied des Astronautenkorps der Europäischen Weltraumorganisation ESA und wurde am 14. Dezember 2020 für seine erste ISS-Mission nominiert. Matthias Maurer ist zudem der zweite Europäer, der als Missions-Spezialist an Bord einer SpaceX-Dragon-Raumkapsel mit der Seriennummer 210 und dem Namen „Endurance“ (Ausdauer) des kommerziellen NASA-Crew-Programms gemeinsam mit den NASA-Astronauten Raja Chari (Kommandant), Thomas Marshburn (Pilot) und der NASA-Astronautin Kayla Barron (Mission-Spezialistin) zur Raumstation fliegt. Die vierköpfige Besatzung wird in acht Minuten und 48 Sekunden auf Orbitalhöhe und -geschwindigkeit gebracht, um ihre Reise zur Internationalen Raumstation anzutreten. In der Zwischenzeit soll die erste Stufe der Trägerrakete Falcon 9 zur Erde zurückkehren, um wiederverwendet zu werden.
Crew 3 im Hangar 39a
Die Crew-3-Astronauten Kayla Barron, Raja Chari, Tom Marshburn, Matthias Maurer (v.l.n.r.) im SpaceX-Hangar im Kennedy Space Center der NASA in Florida. Bild: © SpaceX

Maurer ist Mitglied der ISS-Expedition 66 und soll voraussichtlich bis April 2022 auf der Raumstation leben und arbeiten. Mehr als 100 internationale Experimente, darunter 36 aus Deutschland, stehen auf seiner Agenda. Die Falcon-9-Rakete startete vom bekannten Launch-Pad 39 A am Kennedy Space Center der NASA auf Merrit Island (Florida). Diese Startrampe nutzte die US-Raumfahrtbehörde bereits in den 1960er-Jahren für ihr „Apollo“-Mondprogramm.

„Wir sind alle sehr ruhig, das ist sicher ein Erfolg des Trainings“, sagte Matthias Maurer wenige Tage vor seinem Start. „Wir sind sehr konzentriert. Wenn wir in der Kapsel sitzen, wird die Aufregung sicher kommen. Ich bin kein Superheld und möchte auch keiner sein, hinter meiner Arbeit stecken viele, viele Leute.“

Das Docking, also die Ankunft an der Raumstation, ist 22 Stunden nach dem Start für den 11. November, 19:10 Ortszeit (12. November 2021, 01:10 Uhr MEZ) vorgesehen und wird auf NASA-TV übertragen.

Experimente aus Deutschland im Gepäck

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist vielfältig in die Mission eingebunden: Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit Sitz in Bonn ist für die Auswahl und Koordination der Experimente und Beiträge deutscher Universitäten und Hochschulen sowie aus der Industrie verantwortlich. Ebenso führen DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler eigene Experimente durch. Das Columbus-Kontrollzentrum der ESA, beheimatet im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum des DLR im bayerischen Oberpfaffenhofen, ist verantwortlich für die Planung und Durchführung der Experimente, die im europäischen Columbus-Modul auf der Raumstation stattfinden. Von hier aus gehen die Daten der Experimente an die nationalen Nutzerkontrollzentren und von dort aus zu den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und den beteiligten Partnern aus der Industrie.

„Die Internationale Raumstation ISS ist ein Ort, an dem sich einzigartige Möglichkeiten für die Wissenschaft ergeben. Astronauten leben und arbeiten auf der Raumstation unter den Bedingungen der Mikrogravitation“, erläutert die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, „für Matthias Maurer ist jetzt für sechs Monate die Raumstation sein Zuhause. Er wird einen großen Teil seiner Zeit wissenschaftlichen Arbeiten in den Bereichen Humanphysiologie, Physik, Biologie, Materialwissenschaften und Strahlenschutz widmen. Allein 36 seiner Experimente kommen aus Deutschland. Dazu gehören auch Technologien, die die Art und Weise, wie wir auf der Erde leben und arbeiten, verändern werden.“

Die deutschen Experimente der „Cosmic Kiss“-Mission umfassen Grundlagenforschung wie anwendungsorientierte Wissenschaft und Technologietests aus den Bereichen Lebens- und Materialwissenschaften, Physik, Medizin, Künstliche Intelligenz oder Erdbeobachtung. Zudem steht ein umfangreiches Nachwuchs-Programm für Schülerinnen und Schüler auf der Agenda von Matthias Maurer.

„Matthias Maurer ist der zwölfte deutsche Astronaut im Weltraum und einer von aktuell sieben aktiven Astronautinnen und Astronauten der ESA. Er plant mehr als 100 wissenschaftliche Versuche, spannend sind sie alle und im Fokus steht vor allem auch der Nutzen und die Wertschöpfung durch die Experimente für uns Menschen auf der Erde. Im Zeichen der Pandemie geht es zum Beispiel darum, in der Schwerelosigkeit Oberflächen zu entwickeln, die das Wachstum von Keimen und Bakterien hemmen. Wenn wir das hinbekommen, sehe ich Anwendungen in Krankenhäusern und im öffentlichen Raum. In einem weiteren Experiment geht es um einen Sportanzug, der mit Elektroschocks Muskel- und Knochenschwund reduziert. So ein Anzug ist für Astronauten wichtig, kann aber auch vielen Millionen Menschen auf der Erde helfen, beispielsweise in der Physiotherapie“, betont Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, die im Auftrag der Bundesregierung die deutschen ESA-Beiträge verantwortet. Deutschland ist innerhalb der ESA der größte Beitragszahler für das ISS-Programm.

Forschung im All für die Menschen auf der Erde

Im Gepäck von „Crew-3“ sind auch weitere „Cosmic Kiss“-Experimente aus Deutschland: Das Experiment DOSIS 3D misst bereits seit 2012 die Strahlung innerhalb und außerhalb der ISS. Für DOSIS 3D MINI wird nun zusätzlich zu den Detektoren, die im europäischen Columbus-Labor montiert sind, ein zweiter Satz von Detektoren mit Matthias Maurer zur ISS fliegen. Diese neuen Detektoren sollen von Maurer u.a. auch im russischen Teil der ISS installiert werden, insgesamt kann dann an 21 Stellen auf der ISS gemessen werden und ein 3D-Modell der Strahlenbelastung auf der Raumstation generiert werden. Die wissenschaftliche Leitung von DOSIS 3D liegt beim DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln.

Bei „Easy Motion“ – EMS geht es um einen speziellen Anzug, der die Astronauten auf der ISS beim täglichen Sporttraining unterstützen soll: Denn wir können uns nur fortbewegen, weil Muskeln in Rumpf und Gliedmaßen unserem Körper Stabilität verleihen. Dabei arbeiten sie auf der Erde gegen die Schwerkraft und trainieren sich so selbst. Um Muskelschwund und den dadurch bedingten Knochenabbau in Schwerelosigkeit zu verhindern, ist Elektro-Muskel-Stimulation (EMS) eine moderne Trainingsmethode, bei der Muskelpartien durch schwache Stromimpulse angespannt werden. Wird diese erhöhte Grundspannung mit einem gezielten Muskeltraining kombiniert, kann das den Erfolg deutlich erhöhen. An Bord der ISS wird Matthias Maurer erstmals mit einem speziellen EMS-Anzug sein Trainingsprogramm verbessern, das aus Laufen, Radfahren und Krafttraining besteht. Die wissenschaftliche Leitung des Projekts liegt bei der Charité Universitätsmedizin Berlin.

Ebenfalls aus der Humanphysiologie stammt das Experiment „Thermo-Mini“, das zum großen Teil bereits mit SpaceX-23 am 29. August 2021 zur Raumstation gebracht worden ist: Ein längerer Aufenthalt im Weltall führt zu einem dauerhaften Anstieg der Körperkerntemperatur. Dieses „Space Fever“ ist eine potenzielle Gefahr für die Gesundheit der Astronautinnen und Astronauten – vor allem bei Sport und Außenbordeinsätzen. Mit Thermo-Mini werden bei Matthias Maurer die Körperkerntemperatur und zirkadiane Rhythmik durch einen miniaturisierten Thermosensor nicht-invasiv an der Stirn aufgezeichnet. Die gewonnen Daten sollen Erkenntnislücken schließen und vor allem beweisen, dass der Mini-Thermosensor für den Langzeiteinsatz im Weltraum geeignet ist. Auf der Erde kann der Minisensor in extremen Umgebungen wie in Bergwerken und bei Feuerwehreinsätzen aber auch im Krankenhaus angewendet werden. Thermo-Mini wird im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) organisiert. Wissenschaftlich geleitet wird das Projekt vom Zentrum für Weltraummedizin an der Berliner Charité. Der miniaturisierte Sensor, kommerziell von Dräger GmbH erhältlich, wurde von der KORA Industrie-Elektronik GmbH für die Nutzung im Weltraum angepasst. Matthias Maurer trägt bei seinem Flug zur ISS das Stirnband von Thermo-Mini.

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