Am Great Barrier Reef hat sich gestern und heute ein besonderes Naturschauspiel ereignet – das „Coral Spawning“. Das jährliche Laichen der Korallen fand zunächst an küstennahen Riff-Abschnitten in Tropical North Queensland statt und wird voraussichtlich am ersten Dezember-Wochenende am Outer Reef in noch größerer Form erfolgen.
Milliarden von winzigen rosafarbenen Eiern und Spermien seien vergangene Nacht und heute Abend „explodiert“, umschreibt der Meeresbiologe Stuart Ireland, das Ereignis. Er filmt seit 1996 dieses jährliche Naturphänomen, vorzugsweise am Moore Reef, 47 Kilometer von Cairns entfernt. So auch in diesem Jahr. „Hier beobachten wir seit sechs Jahren ein starkes Korallenwachstum. Die Korallenbedeckung und -vielfalt am Moore Reef ist sehr hoch. Das diesjährige Laichen spiegelt das wider und wird erneut zur Entstehung neuer Korallen beitragen“, sagt Ireland. Er wurde von Dr. Abbi Scott begleitet. Sie ist Forscherin am Centre for Tropical Water and Aquatic Ecosystem Research (TropWATER) der James Cook University und gleichzeitig auch Koordinatorin des neuen Cairns-Port Douglas Reef Hub.
Erstmals fangen Forscher Korallenbabys in speziellen Gefäßen auf
Abbi Scott war für eine wichtige Neuerung in diesem Jahr verantwortlich. An fünf Riffen wurden spezielle Platten installiert, um die Larven einzufangen. „Die darauf wachsenden Korallenbabys werden dann im nächsten Jahr genauer untersucht, um die Konnektivität der einzelnen Riffe, aus denen die Larven stammen, besser zu verstehen“, erklärt Scott. Zu diesem Zweck sollen die Platten im Februar wieder eingesammelt und im TropWATER-Labor vom Reef Hub-Netzwerk analysiert werden. „Diese Forschung wird Einblicke in die Korallenerneuerung an jedem untersuchten Riff gewähren sowie darüber, wie sie sich an jedem dieser Riffe unterscheidet“, so Scott weiter.
Fünf Tourismusbetreiber (Down Under Cruise and Dive, Experience Co, Passions of Paradise, Quicksilver Group, Wavelength Reef Cruises) und die gemeinnützige Organisation Reef Restoration Foundation sind an dem neuartigen Projekt beteiligt.
„Eine solche regionale Studie über ein Netzwerk von mehreren Tourismusbetreibern liefert unschätzbare Daten und kann ein gutes Vorbild für andere Regionen sein, da Tourismus und Forschung immer stärker miteinander verflochten sind“, sagt Scott.
Das Cairns-Port Douglas Reef Hub-Netzwerk
Diese aktuelle Korallen-Erneuerungsstudie ist nur eines von vielen innovativen Korallen- und Rehabilitationsprojekten, die es in der Region Cairns und Port Douglas derzeit gibt. Der Cairns-Port Douglas Reef Hub setzt sich bei allen Projekten für ein gesundes und widerstandsfähiges Riff ein. Unterstützung bekommt das Team von Abbi Scott dabei auch von den traditionellen Eigentümern, Wissenschaftlern, Tourismusunternehmen und den Gemeinden. Das Netzwerk wird gefördert durch die Partnerschaft zwischen dem Reef Trust der australischen Regierung und der Great Barrier Reef Foundation.
„Im Moment wimmelt es im Great Barrier Reef von neuem Leben“, freut sich Anna Marsden, Geschäftsführerin der Great Barrier Reef Foundation, und fügt hinzu: „Das jährliche Laichen der Korallen ist nicht nur eines der außergewöhnlichsten Naturphänomene auf dem Planeten, es bietet uns auch die Möglichkeit, weltweit führende Forschung voranzutreiben, um die Korallen in Zukunft vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.“
Was genau ist Coral Spawning?
Korallenpolypen geben gleichzeitig Ei- und Spermienbündel zur externen Befruchtung ins Meer ab. Das Laichen der Korallen erfolgt in der Regel zwei bis sechs Tage nach einem Vollmond, wenn die Wassertemperatur einen Monat zuvor bei über 27 Grad Celsius lag. Es erfordert wenig Gezeitenbewegung und tritt nachts auf, wenn Planktonfresser schlafen, was den Ei- und Spermienbündeln eine größere Chance auf Befruchtung und Überleben gibt.
Das Ereignis findet nur einmal jährlich statt, kann aber je nach geografischer Lage variieren. In Tropical North Queensland und dort vor allem rund um die küstennahen Inseln und „Fringing Reefs“ beobachtet man Coral Spawning einen Mondphasen-Zyklus früher als an den kühleren „Off Shore Outer Reefs“ – hier ist das Naturphänomen noch spektakulärer.
Das Coral Spawning wurde erst vor 41 Jahren von Biologen entdeckt. Dabei erforschte man, dass Korallen im Gegensatz zu den Pflanzen und Gräsern an Land, die ein paar Wochen für den Bestäubungsprozess benötigen, lediglich einmal im Jahr für ein paar Nächte Zeit für die Paarung haben. Das Absondern der Geschlechtszellen muss gleichzeitig stattfinden, da sonst die Meeresströmungen die einzelnen Gameten (zusammenfassende Bezeichnung für Ei- und Samenzellen) zu sehr verstreuen und die Chancen einer Befruchtung somit enorm sinken würden. Findet das Coral Spawning statt, werden so viele Gameten freigelassen, dass Taucher meist nicht weiter als einen Meter sehen können – es wirkt wie ein Schneesturm unter Wasser. Der Laich bildet eine rosabraune und orangefarbene Schicht auf der Meeresoberfläche, wo das Sperma auf ein kompatibles Ei trifft und eine Larve hervorbringt, die etwa zehn Tage braucht, um vollständig zu einem Korallenpolypen heranzureifen.
Den „Schneesturm unter Wasser“ hautnah erleben
Mehrere örtliche Reiseveranstalter wie Diver’s Den, Pro Dive Cairns und Tusa Reef Tours bieten abendliche Coral Spawning-Trips an. Die nächsten Tauch- und Schnorchel-Ausflüge sind am ersten Dezember-Wochenende geplant.