Die gute Nachricht für die deutsche Reisewirtschaft mit ihren über 2.300 Reiseveranstaltern, rund 10.000 Reisebüros und den zahlreichen Online-Reiseportalen: Die Verbraucher planen in diesem Jahr deutlich mehr Geld für Urlaub und Reisen auszugeben als noch 2021 – so jüngste Befragungen der GfK. Der Reisewunsch steht damit an oberster Stelle, noch vor Restaurantbesuchen oder dem Kauf von Möbeln. „Das Bedürfnis zu reisen und der Wunsch nach Erholung ist bei den Deutschen definitiv zurück“, blickt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV) optimistisch auf die kommende Urlaubssaison. Dass die Reiselust merklich anzieht, stimmt die Branche nach zwei wirtschaftlich sehr herausfordernden Jahren positiv. „Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit der Krieg in der Ukraine Einfluss auf das Reiseverhalten haben wird“, so Fiebig.
Der Blick auf die jetzt fertiggestellte Bilanz des Touristikjahres 2020/21 (1. November 2020 bis 31. Oktober 2021) zeigt wie schwierig die wirtschaftliche Situation der deutschen Reisewirtschaft im vergangenen Jahr war: Die Anzahl der Reisenden und der Reisen sowie die Reiseausgaben gingen nach einem historischen Rückgang 2020 erneut zurück, wie der DRV im Vorfeld der Anfang März virtuell stattfindenden internationalen Reisemesse ITB Berlin mitteilt:
- 28,8 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2021 insgesamt für ihre Reisen aus (vorab gebuchte Leistungen) – das ist ein Rückgang um zehn Prozent zum Vorjahr. Im Vor-Corona-Jahr 2019 betrugen die Reiseausgaben noch fast 70 Milliarden Euro.
- Die Anzahl der Reisen sank 2021 ebenfalls um zehn Prozent gegenüber Vorjahr auf 136 Millionen.
- Fünf Prozent weniger Reisende (44 Millionen) wurden 2021 gezählt.
- Im Sommer 2021 feierte die Pauschalreise ihr Comeback – die Ausgaben stiegen um 134 Prozent gegenüber dem Vorjahressommer. Dennoch gingen die Ausgaben für Pauschalreisen aufgrund der fehlenden Winterbuchungen im Gesamtjahr 2020/2021 um 16 Prozent zurück.
- Am stärksten nachgefragt waren bei allen Reisen (pauschal wie individuell organisiert) die Urlaubsländer Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, Griechenland und die Türkei – damit gab es keine gravierenden Änderungen zu den Vorjahren.
Dies belegen die Auswertungen des Marktforschungsunternehmens GfK für den DRV; erfasst werden Urlaubs- und Privatreisen ab mindestens einer Übernachtung, die vor Reiseantritt gebucht wurden.
Starker Sommer kann Corona-bedingt fehlenden Winter nicht ausgleichen
Der erneute Rückgang im vergangenen Jahr resultiert vor allem aus dem annähernden Totalausfall der Wintersaison 2020/2021. „Hier waren aufgrund von Corona-Lockdowns und weiteren zahlreichen Einschränkungen kaum Reisen möglich“, ordnet DRV-Präsident Norbert Fiebig ein. Das Resultat: Um fast 90 Prozent brachen die Reiseausgaben (pauschal und selbstorganisiert zusammengerechnet) im Vergleich zum Winter 2019/2020 ein. „Im Sommer 2021 haben wir dann die Wende gesehen: Es wurde wieder sehr viel mehr gereist und die Reiseausgaben kletterten von 16 Milliarden Euro im Sommer 2020 um 64 Prozent auf fast 27 Milliarden Euro“, berichtet Fiebig. Dennoch reichte dieses kräftige Plus bei Pauschal- und Individualreisen in den Sommerferienmonaten nicht aus, um die massiven Einbrüche aus dem Winter auszugleichen, so dass am Ende für das Gesamt-Touristikjahr das Minus von zehn Prozent bei den Reiseausgaben zu verzeichnen ist.
Dass trotz dieser wirtschaftlichen Entwicklung nur vereinzelte Insolvenzen und Geschäftsaufgaben in der Branche zu verzeichnen gewesen sind, ist der Politik zu verdanken: „Die Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung haben einen Zusammenbruch der Infrastruktur der deutschen Reisewirtschaft in den vergangenen zwei Jahren verhindert“, hebt DRV-Präsident Norbert Fiebig die Bedeutung der staatlichen Hilfen hervor. „Ohne diese Unterstützung, für die wir als Verband gekämpft haben, sähe die Situation in der Reisewirtschaft ganz anders aus.“
Die organisierte Reise: 36 Prozent aller Reiseausgaben sind Pauschal- und Bausteinangebote der Reiseveranstalter
Von den 28,8 Milliarden Euro Reiseausgaben entfielen 10,4 Milliarden Euro auf die organisierte Reise – also die Pauschal- und Bausteinangebote der Reiseveranstalter. Das ist ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr (12,5 Milliarden Euro) um 16 Prozent bzw. zwei Milliarden Euro. Verglichen mit dem Vor-Corona-Niveau von über 35 Milliarden Euro Umsatz für die organisierte Reise offenbart sich das Ausmaß des Einbruchs in den vergangenen zwei Touristikjahren durch die Corona-Pandemie: „Um 71 Prozent lagen die Reiseausgaben für Pauschalreisen 2021 niedriger als im Rekordzeitraum 2019“, so DRV-Präsident Fiebig.
Im gesamten vergangenen Jahr wurden 36 Prozent der Privat- und Urlaubsreisen als Pauschal- und Bausteinreisen gebucht – vor Corona lag der Anteil organisierter Reisen kontinuierlich bei über 50 Prozent. Der Grund für den gesunkenen Anteil: 2021 haben deutlich weniger respektive so gut wie keine Fernreisen, Kreuzfahrten, Gruppen- und Städtereisen stattgefunden. Dagegen gab es vermehrt Reisen innerhalb Deutschlands und in angrenzende Länder wie zum Beispiel Österreich. Diese Reisen organisieren Urlauber traditionell eher individuell. Die Reiseveranstalter haben den Trend zu den sogenannten erdgebundenen Reisen mit Auto-, Bus- oder Bahnanreise erkannt und bauen ihre Angebote kontinuierlich weiter aus.
Pauschalreisen im Sommer: ein Plus von 134 Prozent
Im Sommer kehrte die Reiselust der Deutschen zurück und der Anteil der Pauschalreisen am gesamten Ausgabevolumen für Reisen stieg 2021 im Vergleich zum Sommer 2020 sprunghaft an: Die Ausgaben kletterten um 134 Prozent von 4,1 Milliarden Euro auf nunmehr 9,6 Milliarden Euro und haben sich damit mehr als verdoppelt. „Dieser deutliche Anstieg zeigt, dass wir auf einem guten Aufholkurs sind. Reisende setzen mitten in der Corona-Pandemie verstärkt auf die Sicherheit der Pauschalreise“, erklärt Norbert Fiebig. Die Kunden vertrauen dabei auf die Vorteile mit einem attraktiven Preis-Leistungsverhältnis, einem verlässlichen Sicherheitsmanagement und die Hilfe durch den Reiseveranstalter im Fall der Fälle. Als Rund-um-Sorglos-Paket bieten die organisierten Reisen auch eine deutlich bessere rechtliche Absicherung als einzeln gebuchte Reisebausteine. Zu dem großen Zuspruch der Pauschalreise tragen außerdem die zunehmend sehr flexiblen Umbuchungs- und Stornierungsmöglichkeiten der Pauschalangebote bei. „Die Pauschalreise ist heute so individuell und so flexibel wie nie“, so Fiebig.
Kreuzfahrtmarkt verliert seit Beginn der Pandemie fast 5 Milliarden Euro Umsatz
Besonders stark betroffen von den Auswirkungen der Corona-Pandemie ist der Kreuzfahrtmarkt: 2019 lag das Umsatzvolumen der Hochsee- und Flusskreuzfahrten bei rund 6 Milliarden Euro. 2021 betrug der Umsatz nach GfK-Berechnungen noch 1,1 Milliarden Euro, gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 52 Prozent. Dabei sank der Umsatz im Hochsee-Segment aufgrund der weltweiten Reisebeschränkungen mit 56 Prozent stärker als im Flusskreuzfahrtmarkt mit 20 Prozent. Rund ein Drittel weniger Reisen sind 2021 insgesamt auf den Flüssen und den Weltmeeren zu verzeichnen. Verglichen mit der Zeit vor Corona ist der Umsatz innerhalb von zwei Jahren um über 80 Prozent eingebrochen. Dennoch blickt auch die Kreuzfahrtbranche positiv in die Zukunft und ist zuversichtlich, dass im Sommer die Schiffe wieder sehr gut ausgelastet sein werden. „Die vielen Kreuzfahrt-Fans wollen wieder aufs Wasser“, erklärt der DRV-Präsident. (DRV)