Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing und Deutsche Bahn-Chef Dr. Richard Lutz haben heute in Berlin Pläne für ein neues Hochleistungsnetz vorgestellt. Hintergrund sind aktuelle Zuverlässigkeits- und Qualitätsprobleme des Verkehrsträgers Schiene. Sie resultieren im Kern aus einem Kapazitäts- und Überalterungsproblem in der Infrastruktur.
Das Hochleistungsnetz soll die am höchsten belasteten Schienenverbindungen in Deutschland umfassen. Diese erstrecken sich heute über rund 10 Prozent des Gesamtnetzes. Rund 25 Prozent aller Züge durchfahren schon heute dieses Netz. Zusätzlich verzeichnet es bereits ohne Bautätigkeiten eine durchschnittliche Auslastung von rund 125 Prozent. Aufgrund der prognostizierten Verkehrsentwicklung wird die Länge dieses hoch belasteten Netzes von derzeit rund 3.500 Kilometer auf voraussichtlich über 9.000 Kilometer bis zum Ende dieses Jahrzehnts anwachsen.
Die Nutzungsintensität auf dem deutschen Schienennetz hat sich seit der Bahnreform 1994 bis 2021 um mehr als 60 Prozent erhöht. Die steigende Nachfrage trifft dabei auf ein Streckennetz und Bahnhöfe, die nicht mitgewachsen sind. Gleichzeitig hat sich der Zustand der Infrastruktur verschlechtert, weil viele Gleise, Weichen, Brücken und Stellwerke alt und damit störanfällig sind. Um die Modernisierung voranzutreiben, wird auf Rekordniveau gebaut. Diese Baumaßnahmen kosten allerdings zusätzliche Kapazität, was insbesondere auf dem hoch belasteten Netz schmerzhaft ist. Mit steigender Auslastung wachsen Staueffekte und Unpünktlichkeit exponentiell an.
Über eine Generalsanierung der wichtigsten Schienenkorridore soll sich nun das hoch belastete Netz bis 2030 zu einem Stabilitätsanker für die gesamte Schiene entwickeln. Störungen werden auf diesen Strecken stark reduziert und die Infrastruktur deutlich robuster. Außerdem schaffen neue Kapazitäten nach den Arbeiten zusätzlichen Platz für mehr klimafreundlichen Verkehr auf der Schiene. Kund:innen des Güter- und Personenverkehrs werden einen deutlichen Vorher-Nachher-Unterschied feststellen. Die Industrie profitiert von erstklassigen Güterverkehrskorridoren. Für Fahrgäste wird dabei auch die Attraktivität der Bahnhöfe gesteigert. Eisenbahnverkehrsunternehmen und Aufgabenträger können nach der Generalsanierung ein besseres Angebot machen.
Nach Plänen der DB werden bei der Generalsanierung des Hochleistungsnetzes alle überalterten und störanfälligen Anlagen komplett ersetzt und verbessert. Damit wird der Investitionsrückstau hier umfassend beseitigt. Im Hochleistungsnetz herrscht ein erstklassiger Ausstattungsstandard: Flächendeckender Gleiswechselbetrieb, weniger Bahnübergänge, ausreichende Überhol- und Überleitstellen machen den Bahnbetrieb robuster gegenüber unvorhergesehenen Störungen. Das Hochleistungsnetz hat mehr Reserven und es kommen Ausstattungskomponenten zum Einsatz, die deutlich performanter und zuverlässiger sind. Prävention und Prädiktion sorgen für eine vorausschauende Instandhaltung und werden um eine 24/7-Hochleistungsentstörung ergänzt. Diagnosesysteme bringen kontinuierlich Informationen über den Zustand der verfügbarkeitsrelevanten Anlagen. Dies ermöglicht, die Anlagen im Rahmen geplanter Wartungsarbeiten ohne Störung des Betriebes zu warten, bevor es zu Fehlern kommt. Die generalsanierten Strecken werden für die Digitale Schiene Deutschland vorgerüstet.
Für die Generalsanierung der hoch belasteten Korridore gelten drei entscheidende und neue Elemente:
1. Bündelung aller Baumaßnahmen: Schwellen und Schotter, Gleise und Weichen, Signale und Stellwerke, Bahnsteige werden zukünftig gebündelt und komplett saniert. Bislang erfolgt die Sanierung von Schienen, Oberleitungen, Signaltechnik primär in Abhängigkeit von Zustand und Alter der Anlagen. Darauf ist auch die Finanzierung ausgerichtet. Dieses Vorgehen ist aber nicht kund:innenfreundlich. Es müssen auf ein und derselben Strecke immer wieder verschiedene Gewerke nacheinander ausgetauscht werden. In Zukunft wird die Strecke einmal gesperrt, danach ist sie für viele Jahre nahezu baufrei.
2. Erhöhung der Leistungsfähigkeit: Die Hochleistungskorridore erhalten einen erstklassigen Ausstattungsstandard. Hier werden auch viele kleine und mittlere Zusatzmaßnahmen realisiert, wie von der Branche vorgeschlagen. Die Korridore werden damit ein Anker für Stabilität und Wachstum im Schienennetz. Sie können mehr Züge aufnehmen, ohne negative Auswirkungen auf die Pünktlichkeit. Bislang war der reine „1:1-Ersatz“ die Regel.
3. Kund:innenfreundliches Bauen: Gemeinsam mit der Bauwirtschaft werden hochverdichtete und kapazitätsschonende Bauverfahren implementiert. Die Einschränkungen einer Baumaßnahme für die Wirtschaft und die Fahrgäste werden so deutlich verringert. Für den Bestandserhalt stellt der Bund erstmals zusätzliche Mittel für kund:innenfreundliches Bauen bereit. Das kund:innenfreundliche Bauen wird auf dem Hochleistungsnetz ausgeweitet.
Eine hohe Leistungsfähigkeit und geringe Störanfälligkeit im Hochleistungsnetz wirken sich über die langlaufenden Transportwege positiv auf die Qualität im gesamten Netz aus. Die Erfahrungen mit der Generalsanierung aus dem hoch belasteten Netz mit stärkerer Bündelung, verbesserten Ausstattungsstandards und kleinen und mittleren Maßnahmen zur schnellen Kapazitätserweiterung sollen wo immer möglich und sinnvoll auch auf das übrige Netz übertragen werden.
Die Generalsanierung des ersten Schienenkorridors soll im Jahr 2024 starten. Die Auswahl und die konkrete Umsetzung sollen zusammen mit dem Schienensektor sowie der Wirtschaft in enger Abstimmung erfolgen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr und die Deutsche Bahn wollen gemeinsam die Branche einladen und das Hochleistungsnetz im Schulterschluss entwickeln.
Um die Betriebslage bis zum Start der Generalsanierung bereits unmittelbar zu stabilisieren und zu verbessern, werden jene Elemente des Hochleistungsnetzes vorgezogen, die bereits kurzfristig umgesetzt werden können: Sperrzeiten werden besser gebündelt und Spitzen in der Baubelastung stärker geglättet, Umleitungsstrecken besser nutzbar gemacht und höherwertige und robustere Elemente, wo immer möglich, bereits verbaut. Die DB erhöht das jährliche präventive Instandhaltungsbudget um einen deutlichen dreistelligen Millionenbetrag. Damit werden vor allem kleine Störungen besser vermieden. Mit einer frühen und umfassenden Kommunikation sorgt die DB für mehr Planbarkeit bei den Aufgabenträgern, den Eisenbahnverkehrsunternehmen und deren Kund:innen.