Djemaa el-Fna im goldenen Licht der Abenddämmerung
Der Djemaa el-Fna im goldenen Licht der Abenddämmerung und dem Rauch der Garküchen; im Hintergrund das Minarett der Koutoubia Moschee. © Oliver Erdmann

Marrakesch erleben: quirlige Gassen und geschäftige Souks, auch im Ramadan

Marrakesch, allein der Name klingt nach orientalischer Exotik, bunten Märkten und duftenden Gewürzen. Es ist Anfang März, wir lassen das nasskalte Wetter in Hamburg hinter uns und sind gespannt auf das, was vor uns liegt.

Die Anreise ist einfach und unspektakulär: Nach insgesamt knapp fünf Stunden Flugzeit und einem kurzen Zwischenstopp in Madrid landen wir mit einem Airbus 320 von Iberia Express auf dem internationalen Flughafen Marrakesch-Menara. Auch die Einreiseformalitäten sind schnell erledigt: knappe Fragen zu unseren Berufen sowie dem Hotel vor Ort, Bordkarte noch einmal vorgezeigt und schon saust der Stempel in unsere Pässe.

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Vorsorglich hatten wir über die gebuchte Unterkunft einen Fahrer bestellt, der uns in fünfzehn Minuten vom Flughafen bis vor die Tore der Altstadt, der „Medina“, bringt. Flink werden unsere Koffer umgeladen und von einem der zahlreichen Gepäckträger mit einem Schubkarren kreuz und quer durch die engen, verwinkelten Gassen manövriert. Wir traben brav hinterher, versuchen den Mann vor uns im Blick zu behalten und gleichzeitig dem bunten Treiben um uns herum zuzuschauen. Auf dem weitläufigen Hauptplatz, dem „Djemaa el-Fna“, buhlen um die Mittagszeit bereits die ersten Schlangenbeschwörer unter lautstarkem Einsatz ihrer Vuvuzela-gleichen Tröten um Kundschaft. Mopeds knattern im Slalom um die Fußgänger. Unser „Riad“ (arabisch für Garten) liegt ganz versteckt und unscheinbar am Ende einer winzigen Sackgasse. Wir klopfen an der dicken, messingbeschlagenen Holztür. Die wenigen Zimmer dieser für Marrakesch typischen Touristenherberge liegen rings um einen kleinen liebevoll mit einer Handvoll Orangenbäume bepflanzten Innenhof. Eine herrliche Dachterrasse mit Liegen und Loungemöbeln lädt zum Relaxen ein.

Auf dem „Platz der Gehängten“: Schlangenbeschwörer, Garküchen und allerlei Krimskrams

Genauso ist es: Kurz vor Sonnenuntergang haben selbst auf dem Djemaa el-Fna die meisten Händler und Gaukler ihre Siebensachen zusammengepackt, eilen fix mal zwischendurch nach Hause oder zu Freunden zum ersehnten Fastenbrechen. Zu später Stunde füllt sich der Platz allerdings um so mehr und der Trubel geht jetzt erst richtig los.

Der Djemaa el-Fna, der „Platz der Gehängten“, befindet sich seit 2008 auf der UNESCO Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit. Vor hunderten von Jahren noch als Hinrichtungsstätte der Sultane genutzt, ist er heute ein Touristenmagnet. Dieser riesige, dreieckige Marktplatz ist nicht nur Bühne für Musiker, Gaukler und die bereits erwähnten Schlangenbeschwörer, sondern es gibt auch unzählige Souvenirstände mit allerlei Krimskrams, Garküchen, Obststände mit frisch gepressten Säften und verschleierte Frauen, die Henna Tattoos anbieten. Früher vielleicht ein Ort des kulturellen Austausches ist er aber heutzutage meines Erachtens nach nicht viel mehr als ein weltweit übliches, schnödes Touristengeschäft. Leid tun mir die zur Schau gestellten Berberaffen, einer sogar in ein kleines, gelbes Fußball Trikot gezwängt, und die Schlangen- wütend machen mich Touristen, die sich auch noch mit den Tieren auf dem Arm oder um den Hals fotografieren lassen. Trotzdem, ein Bummel über den Djemaa el-Fna gehört zu einem Marrakesch Besuch einfach dazu.

Authentischer Gewürzmarkt in Mellah
Halbwegs authentischer Gewürzmarkt in Mellah. © Oliver Erdmann

Der laute Ruf des Muezzin hat uns früh geweckt, er beendet das nächtliche Fastenbrechen. Doch während die meisten Marrakchis vielleicht noch schnell ihren letzten Bissen runterschlingen oder sich bereits für das Morgengebet vorbereiten, drehen wir uns noch mal gemütlich um.

Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Ausblick über die Dächer der Stadt schlendern wir durch die südliche Medina. Es ist ein einziges Geschiebe und ständiges Gehupe: Eselskarren, Fahrräder, Motorroller und mitunter sogar kleine Baumaschinen drängeln sich durch den Touristenstrom. Unser erstes Ziel: das jüdische Viertel „Mellah“, das sich als ziemlich unspektakulär, fast ein wenig heruntergekommen entpuppt. Interessant der jüdische Friedhof, den wir in dieser Größe nicht erwartet haben. Auf dem örtlichen Gewürzmarkt, der uns nicht ganz so touristisch vorkommt, kaufen wir als erstes Souvenir unserer Reise ein Tütchen „Ras el Hanout“, eine Art Küchen-Allrounder unter den marokkanischen Gewürzmischungen.

Jüdischer Friedhof im Viertel Mellah
Der jüdische Friedhof im Viertel Mellah. © Oliver Erdmann
An der Kasbah Moschee vorbei geht’s zum „Bab Agnaou“, dem historisch bedeutsamsten Stadttor im maurischen Baustil. Auf dem Rückweg statten wir der Koutoubia Moschee noch einen flüchtigen Besuch ab, ihr Minarett ist das Wahrzeichen von Marrakesch. Hinein können wir leider nicht- das ist nur den gläubigen Muslimen vorbehalten.
Bab Agnaou in Marrakesch
Stadttor zur Medina: das „Bab Agnaou“. © Oliver Erdmann
Den Abend verbringen wir dann in unserem schönen Riad, das uns wie eine Oase der Ruhe inmitten der weit verzweigten, lauten und quirligen Gassen mit ihrem permanenten Mopedgeknatter vorkommt. Eigentlich wollten wir nach dem Fastenbrechen noch einmal über den Djemaa el-Fna bummeln, aber es schüttet heute Abend wie aus Eimern. Traurig sind wir darüber aber nicht.

Shoppen im Trubel der Souks

Nördlich des Djemaa el-Fna erstreckt sich ein unübersichtliches Labyrinth von überdachten Gängen, in denen sich ein Souvenirladen neben den anderen reiht: die Souks von Marrakesch. Die Marktstände, das angebotene Sortiment, die Verkäufer und auch der Weg selbst ähneln sich so sehr, dass man schnell die Orientierung verlieren kann- da hilft nur der ständige Blick auf die vertraute Klappkarte aus dem Reiseführer oder Google Maps. Kreuz und quer laufen wir durch die Souks, in denen sich teilweise auch die Werkstätten befinden. Erst hören wir das Hämmern der Eisenschmiede und blinzeln in den knisternden Funkenregen ihrer Schweißgeräte, eine Ecke weiter zeigen uns die Wollfärber ihre Naturfarben und wickeln mir ungefragt einen blauen Seidenschal um den Kopf. Dazwischen Holzschnitzer, Schuster und ausgehängte Lederwaren. Die marokkanischen Lampen haben es uns besonders angetan.
Blick in die Souks von Marrakesch
Blick in die Souks - Mopeds sind hier eigentlich verboten. © Oliver Erdmann
Seitenstraße Souks Marrakesch
Durchatmen in den Seitenstraßen der Souks, in denen es etwas ruhiger zugeht. © Oliver Erdmann

Das Stehenbleiben wird in den Souks jedoch zu einer kleinen Herausforderung: Man findet kaum eine ruhige Ecke, ohne dass man entweder von anderen Touristen weitergeschoben wird oder blitzschnell vor einem hupend heranbrausenden Moped einen Schritt zur Seite springen muss.

In den schmalen Seitengassen ist es dann ein bisschen ruhiger, Durchatmen ist angesagt. Faszinierend für mich die vielen liebevoll hergerichteten und schmucken Hinterhöfe, die ich hinter den unscheinbaren, ja teilweise ziemlich maroden Mauern nicht erwartet hätte.

Farbenvielfalt bei den Wollfärbern in Marrakesch
Farbenvielfalt bei den Wollfärbern von Marrakesch. © Oliver Erdmann

Der Ramadan scheint im touristischen Marrakesch übrigens kaum Einfluss auf das geschäftige Treiben zu haben. Nahezu alle Geschäfte und Restaurants haben geöffnet, sind außerdem auch gut besucht. Niemand scheint sich überdies daran zu stören, dass die meist europäischen Besucher der Stadt tagsüber in der Öffentlichkeit essen und trinken.

Eine Oase der Ruhe: der Jardin Majorelle

Der „Jardin Majorelle“ ist eine große, wunderschön angelegte Gartenanlage voller exotischer Pflanzen und Kakteen, die der Künstler Jacques Majorelle (1886 – 1962) einst von seinen Reisen mitbrachte- und die meistbesuchte Touristenattraktion ganz Marokkos. Eine besonders intensive Farbe, ein leuchtendes Kobaltblau, das er in seinem Garten oft verwendete, wurde nach ihm benannt- ansonsten ist seine Kunst weitestgehend in Vergessenheit geraten.
Jardin Majorelle in Marrakesch
Der Jardin Majorelle: ein paradiesischer Ort der Entspannung. © Oliver Erdmann
Der Modeschöpfer Yves Saint Laurent kaufte die Anlage 1980 gemeinsam mit seinem Lebenspartner Pierre Bergé und holte sich hier Inspiration für seine Kollektionen. Der Garten wurde für ihn bis zu seinem Tod zu einem wichtigen Rückzugsort. Trotz des großen Besucherandranges kommt man Dank online Buchung und Wahl eines Zeit-Slots gut organisiert in den Jardin Majorelle. Ein paradiesischer Ort der Entspannung jenseits des Mopedlärms.

Das Geschrei der Seemöwen in Essaouira

Der nächste Morgen: Wir haben einen Ausflug in die ca. 180 km entfernte Hafenstadt Essaouira gebucht. Nach vier Tagen im hektisch wuseligen Marrakesch wollen wir „mal rauskommen“, zumindest einen kurzen Eindruck vom Land Marokko und weiteren Orten bekommen. Dank der vielen kleinen Reiseagenturen in der Stadt ist das kein Problem. Nach vier Stunden Fahrt in einem bequemen Minibus inklusive Besuch einer Arganöl-Kooperative sind wir am Ziel- und werden nicht enttäuscht. Es ist so ganz anders: In Essaouira weht uns ein strammer Wind ins Gesicht und die Gischt des Atlantiks klatscht gegen die Felsen. Ein Meer von tiefblau gestrichenen Fischerbooten dümpelt träge im geschützten Hafenbecken, der frische Fang wird zur Freude der wild umherschreienden Seemöwen direkt an der Hafenmole ausgenommen und zum Verkauf angeboten.
Fischerboote im Hafenbecken von Essaouira
Eine Armada von Fischerbooten im Hafenbecken von Essaouira. © Oliver Erdmann
Seemöwen Hafen Essaouira
Die Seemöwen freuen sich über den frischen Fang. © Oliver Erdmann
Die ganze Szenerie erinnert mich eher an die französische Bretagne, St Malo oder La Rochelle, als an Nordafrika. Auch die Medina unterscheidet sich komplett von der in Marrakesch- anstatt in rötlichen Farben, sind die Gebäude durchgängig weiß getüncht, die Gassen schachbrettartig angelegt und sie wird von einer mittelalterlichen, portugiesischen Befestigungsanlage bewacht. Insgesamt wirkt Essaouira auf mich ursprünglicher und nicht so überlaufen. Das Kitesurfen und Individualreisende bestimmen den Tourismus.

Ausflug ins Ourika Tal

Nachdem wir das Gefühl haben, die Stadt Marrakesch nun ausgiebig genug erkundet zu haben, wollen wir auch den umliegenden Bergen einen Besuch abstatten- die im Frühling noch schneebedeckten Gipfel des Hohen Atlas haben wir schließlich jeden Morgen beim Frühstück auf der Dachterrasse unseres Riads vor Augen. Unser Ziel ist das „Ourika Tal“, ungefähr 30 km entfernt am Fuß des Atlasgebirges gelegen und ein bei Touristen beliebter Tagesausflug.
Ourikatal Atlasgebirge
Im Ourikatal, in der Ferne die schneebedeckten Gipfel des Atlasgebirges. © Oliver Erdmann
Das Bergtal wird vom gleichnamigen „Quad Ourika“ durchflossen, an dessen Ufer sich beim Dorf Setti Fatma rechts und links des Ufers unzählige einfache Restaurants aneinanderreihen, die von den weißen Touristenbussen angesteuert werden. Nach einem annehmbaren Mittagsmenü starten wir zu einer ca. einstündigen Wanderung, die uns den Berghang hinauf zu ein paar kleineren Wasserfällen führt. In Dorfnähe, rechts und links des steinigen Weges, ein Souvenirstand neben dem anderen und natürlich sind wir auch diesmal nicht allein unterwegs; immer wieder halten wir an, um auf dem schmalen Pfad eine Touristengruppe durchzulassen. Trotzdem eine willkommene Abwechslung, sehen wir doch so auch etwas von der bergigen Landschaft Südmarokkos.
Ausflugsbusse Flussufer Setti Fatma
Ausflugsbusse und Restaurants entlang des Flussufers in Setti Fatma (Ourika Tal). © Oliver Erdmann

Auf der Fahrt mit dem Minibus machen wir erneut den wohl obligatorischen Zwischenstopp bei einer Arganöl Kooperativen, und diesmal, ganz interessant, auch einem Berberhaus. Entlang der Straße stehen an einigen Stellen ein paar müde, angepflockte Dromedare, auf dessen Rücken sich Touristen fotografieren lassen können. Zum Glück nimmt dies niemand aus unserer Reisegruppe in Anspruch. Das Touristengeschäft ist eine wichtige Einnahmequelle Marokkos, aber ich finde, man sollte zumindest diejenigen aus dem Spiel lassen, die nicht selbst entscheiden können und auch nicht mitverdienen.

Mein Fazit nach einer Woche Marrakesch? Die Stadt mit dem für mich so verheißungsvollen Namen stand schon seit langem auf meiner „Bucket List“, und ich bin froh, dort gewesen zu sein und sie nun streichen zu können. Wir haben interessante Eindrücke gewonnen, uns ins Getümmel der Medina gestürzt, sind über den bunten und lauten Djemaa el-Fna gebummelt und haben auf dem Dach unseres idyllischen Riads gechillt, dabei dem Ruf des Muezzin gelauscht.

Marrakesch ist durchaus eine Reise wert- allerdings sollte man sich klar darüber sein, worauf man sich einlässt: Ein beliebtes Touristenziel, das mich das eine oder andere Mal doch ein wenig gestresst und überfordert hat.

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Roman von Oliver Erdmann

Der Reisebericht von Oliver Erdmann hat Euch gefallen und Ihr möchtet gerne mehr von ihm lesen? Dann könnte vielleicht seine erste Buchveröffentlichung, der Roman „Kolumbianische Träume“, genau das Richtige für Euch sein. Der junge Kokabauer Luis aus dem kolumbianischen Hochland, der Drogenboss Carlos aus Medellín und der Hafenarbeiter Maik schmuggeln eine Tonne hochreines Kokain von Südamerika nach Hamburg. Jeder von ihnen hat sein Schicksal selbst in der Hand und muss sich entscheiden, was er bereit ist, auf der Suche nach dem ganz persönlichen Glück auf’s Spiel zu setzen…

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