Eine kurze Auszeit finden, über das Leben nachdenken oder neue Impulse bekommen. So unterschiedlich wie die Gründe fürs Pilgern sind die Angebote im Tölzer Land. Wer individuell auf Sinnsuche gehen möchte, findet zahlreiche Möglichkeiten – vom 2,5 Kilometer kurzen Benediktusweg rund ums Kloster Benediktbeuern bis zum 125 Kilometer langen Jakobsweg Isar-Loisach-Leutascher Ache-Inn oder den Südostbayerischen Jakobsweg, der von Ost nach West durch das Tölzer Land bis zum Starnberger See führt und dabei beschauliche Klosterdörfer wie Sachsenkam, Dietramszell und Beuerberg streift. Dazu gibt es rund ein Dutzend Pilgerbegleiterinnen und -begleiter. Die 67-jährige Hedi Schütze ist eine von ihnen und will helfen, die äußeren mit den inneren Wegen zu verbinden.
Frau Schütze, was macht man als Pilgerbegleiterin?
Ich gestalte und organisiere Pilgertage oder -wanderungen. Das heißt, ich kümmere mich um die Organisation genauso wie um die inhaltliche Seite. Welche natürlichen und kulturellen Highlights liegen auf dem Weg? Ist die Strecke eben oder steil? Was müssen die Teilnehmer selbst mitbringen? Wo kann ich gezielt Impulse setzen? Für jede Veranstaltung suche ich mir ein Motto: Das kann ein christliches Zitat oder Lied sein, das ich dann mit der Strecke verbinde.
Mit was für Impulsen arbeiten Sie?
Das ist ganz unterschiedlich. Ein wichtiger Impuls zum Beispiel ist Schweigen. Das baue ich immer ein, damit die Gedanken zur Ruhe kommen können. Ein Gebet kann ebenfalls ein Impuls sein. Ich teile auch immer meine eigenen Gedanken mit, die ich mit wichtigen Wegpunkten verknüpfe.
Wie sieht das konkret aus?
Ich biete zum Beispiel eine Wanderung über den Pilgerrundweg am Ostufer des Starnberger Sees an. Das Motto ist „Deine Liebe ist wie Gras und Ufer“. Auf der zehn Kilometer langen Tour kommen wir an der Maria-Dank-Kapelle oberhalb von Degerndorf vorbei. Hier ist im Zweiten Weltkrieg ein britischer Flieger abgestürzt. Die Kapelle wurde gestiftet als Dank, dass keine Bomben auf den Ort gefallen sind. Die Dorfbewohner haben den aus ihrer Sicht feindlichen Piloten hier aber auch begraben. Deswegen knüpfe ich an den christlichen Grundgedanken der Versöhnung an.
Was bedeutet Pilgern für Sie persönlich?
Der bekannte Satz „Pilgern ist Beten mit den Füßen“ ist mir zu platt. Es geht eher darum, die äußeren mit den inneren Wegen zu verbinden. Wo stehe ich, wie geht es mir, wie verändern sich die Gedanken beim Gehen, worauf habe ich auf der Strecke reagiert, was kann ich daraus mitnehmen für den Alltag? Ich bin schon sehr viele Pilgerwege gegangen, zum Beispiel durch Frankreich, Schweiz und Polen. Mir bringt es persönlich sehr viel und das möchte ich weitergeben, darum bin ich Pilgerbegleiterin geworden.
Was ist das Besondere am Pilgern im Tölzer Land?
Die vielfältige Voralpenlandschaft mit ihren wechselnden Perspektiven. Wenn man zum Beispiel auf dem Jakobsweg Isar-Loisach-Leutascher Ache-Inn unterwegs ist, erlebt man den Unterschied zwischen der sanften Loisach und der wilden Isar. Sieht das Kloster Benediktbeuern vor dem grandiosen Bergpanorama und wandert weiter über Kochel- und Walchensee in das Karwendel hinein. Eine unglaublich tolle Erfahrung.
Interview: Dr. Beate Kellermann