Way to Bristol – unter diesem Motto steht eine ganz außergewöhnliche Aktion: Eine neunmonatige völkerverbindende Reise von Hannover nach Bristol, auf einem offenem Holzschiff mit einer kostbaren Ladung. Anlass ist die Partnerschaft zwischen beiden Städten, die in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiern kann. Außerdem stellte das Adelsgeschlecht der Welfen einst über 123 Jahre die englischen Könige. Initiator der Reise ist Joerma Biernath, Gärtnermeister/Gartendesigner, Gin-Liebhaber und Vorsitzender des Vereins „Spirit of Niedersachsen“. Die Schirmherrschaft hat der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil übernommen.
Das 8,50 m lange traditionelle Holzschiff, ein Marinekutter aus Eiche und Mahagonie aus dem Jahr 1972, wurde von der Hatecke-Werft aufgearbeitet. Marinekutter wurden bereits in der kaiser¬lichen Marine als kombi¬nierte Ausbildungs- und Versetz¬boote benutzt, sie kamen in der Seenot¬rettung und als Trans¬port¬mittel von Schiff zu Schiff bzw. von Schiff zu Land zum Einsatz. Und: Mit diesen Booten kämpfte sowohl die kaiser¬liche Marine als auch die Kriegs¬marine gegen die Engländer. Der Ursprung der Kieler Woche ist eng mit Marine¬kuttern verbunden, wurden doch damit die ersten Regatten ausgetragen. In den Binnengewässern lässt sich das Boot durch Muskelkraft und Ruder fortbewegen, und auf offener See werden zwei Masten aufgerichtet und Segel gesetzt. Gegen die Strömung auf den Flüssen kann ein mit Diesel betriebener Hilfsmotor eingesetzt werden. Die Besatzung des Schiffs besteht aus zwölf Freiwilligen, Männern und Frauen, die ein schweres 190-Liter-Eichenfass mit sich führen. Und dieses Fass hat es in sich: Es ist gefüllt mit dem eigens für die Aktion kreierten „HANNOVER GIN BRITISH CONNECTION“. Neben handgepflückten Kräutern aus der Stadt Hannover und weiteren Zutaten aus der ganzen Welt, enthält dieser Gin diverse Kräuter aus dem Vereinigten Königreich, wo zwischen Schottland und Südengland Menschen ihre Küchenkräuter aus den Vorgärten und Wildkräuter in den freien Landschaften und an den Stränden Großbritanniens gesammelt und an die Destille in Hannover gesendet haben.
Der Startschuss zur Reise fiel mit der „Königlichen Schiffstaufe“ am 16. Oktober 2021, als Heinrich Prinz von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, die feierliche Taufe des Holzschiffs auf den Namen „HANNOVER-Spirit of Niedersachsen“ vorgenommen hatte. Das hölzerne Gin-Fass wurde zuvor mit den Händen von der Destille in der Nähe des hannoverschen Güterbahnhofes, über den Georgengarten bis zum Niedersächsischen Landtag gerollt. Dort an der Leine gegenüber dem Historischen Museum, mitten im Herzen von Hannover, schiffte man ein. Nachdem das Fass mit Hilfe starker Spieler der Rugby-Mannschaft des TSV Victoria Hannover-Linden auf das Schiff gehievt wurde, hieß es „Leinen los“!
Die Reise verläuft über die Leine quer durch die Stadt, dann von der Region Hannover über die Aller und in die Weser hinein. Nach Stationen in Marienwerder, Ahlden und Verden machte das Schiff am vergangenen Samstag (30. April) auch in der Stadt Achim, im Yachthafen Achim-Uesen einen Halt. Unterwegs wurde die „Feine Kartoffelsuppe“ nach dem Rezept des Achimer Bürgermeisters, Rainer Ditzfeld, gekocht. Mit dabei auf diesem Teilstück war auch Martin Fahrland, Geschäftsführer der Mittelweser-Touristik GmbH. „Die Reise von Hannover nach Bristol ist ein tolles Projekt, wir freuen uns, dass die nördliche Mittelweser-Region mit der Stadt Achim ein Teil der Reise sein durfte“, so Fahrland.
Anschließend fuhr das Schiff weiter flussabwärts durch Bremen bis Nordenham und dann durchs Wattenmeer bis nach Wilhelmshaven. Durch den Ems-Jade-Kanal führt die Reise nach Aurich und in die Seestadt Emden. Entlang der Nordseeküste geht es unter Segeln über den rauen Seeweg, dann den Ärmelkanal, in die Themse bis nach London. Während der Tour wird an Bord nach alten Rezepten mit regionalem Bezug gekocht – in Deutschland niedersächsisch, in England britisch. Dabei dürfen der Nienburger Spargel oder die „Bollener Knolle“ (Kartoffel aus Achim) nicht fehlen. Die Fotografen Roland Schmidt und Stephan Argendorf begleiten den Trip. Die Fotos erscheinen später in einem Buch gemeinsam mit den Rezepten, das auf Deutsch, Englisch und Platt die Geschichte der Reise erzählt. In London angekommen liegt das Boot vom 14. bis 22. Juni in Sichtweite der Tower Bridge. Dort werden viele Gäste erwartet. Danach geht die Reise mit dem schweren Gin-Fass flussaufwärts weiter bis nach Bristol, wo am 16. Juli die feierliche Ankunft geplant ist. Auch der hannoverische Bürgermeister, Thomas Hermann wird dann erwartet.
„Wir wollen die Städtepartnerschaft erhalten, es geht uns um die Pflege unserer Gemeinschaft. Damit wir heute, neben den wichtigen historischen Verbindungen zwischen unseren Nationen, auch Brücken schlagen innerhalb der neuen Generation von Menschen auf beiden Seiten des Ärmelkanals, die sich normalerweise vielleicht nicht so dafür interessieren würden. Wir tun das, damit diese Verbindungen nicht verschwinden, in Vergessenheit geraten“, sagt Initiator Joerma Biernath über sein Projekt. „Immer wieder werden wir am Wegesrand auf Hinweise treffen, die England mit unserer Heimat verbindet. Dabei lernen wir Orte und Menschen kennen, die wir ohne die Reise niemals kennengelernt hätten. Wir wollen wieder miteinander ins Gespräch kommen“, so Biernath abschließend.
Der Gewinn der Non-Profit Aktion, die eingesammelten Spenden und die Erlöse aus dem Buchverkauf gehen zur Hälfte an die Deutsche Kriegsgräberfürsorge und zur anderen Hälfte an Invictus Games, einer paralympischen Sportveranstaltung für kriegsversehrte Soldaten.
Weitere Informationen zum Projekt:
www.hannover-gin.de/way-to-bristol/
www.spirit-of-niedersachsen.com
Was mich persönlich bewegt von Initiator Joerma Biernath:
Ich habe Heimweh nach dem Europa, das ich persönlich kennenlernen durfte. Allerdings nicht in dem Zustand, in dem es meine Großeltern erlebt haben. Sondern nach dem Europa als Gemeinschaft. Für mich sind Europa und die Demokratie wie ein Garten: Du musst jeden Tag raus, um daran zu arbeiten und ihn zu schützen. Sonst ist er irgendwann einfach verschwunden. England hat nach dem Zweiten Weltkrieg Niedersachsen mitgeschaffen und vieles, was heute einfach dazu gehört, wie die HANNOVER MESSE, weltweit größte Industriemesse, Marktplatz für die Welt und ein wichtiger Identitätsfaktor für Hannover.
England hat hier die freie Presse, so wie wir sie heute noch schätzen, in Form des ersten deutschen wöchentlichen Nachrichtenmagazins etabliert. Hier in Hannover, nur zwei Blocks entfernt von meiner HANNOVER GIN Destille am Weidendamm, wurden im Anzeiger-Hochhaus der „Spiegel“ und kurze Zeit später dann der „Stern“ geboren. Nicht im russischen Sektor in Berlin, nicht im französischen Sektor im Saarland und auch nicht im amerikanischen Sektor in München. Hier in Hannover.
Jedes Mal, wenn ich meinen Briefkasten öffne und Post von der Insel vorfinde, wenn uns völlig fremde Menschen aus Europa Blumen nach Deutschland senden, bekomme ich eine Gänsehaut.
Darum geht es mir. Verbindung halten. Geschichte erlebbar und nahbar.
Bristol und Hannover – Partnerstädte seit 1947!
Bereits kurz nach dem Krieg sind Briten aus Bristol auf uns zugegangen, um die Feindschaft des Krieges zu überwinden, Freundschaft mit uns zu schließen. Diese Verbindung besteht bis heute.
Die British Connection lebt!