Als Künstler hat sich Ihre tägliche Arbeit durch die Krise wahrscheinlich kaum verändert. Auf der anderen Seite scheint es, als rücke die Kunst angesichts der akuten Probleme in den Hintergrund. Wie erleben Sie diesen Zweispalt oder haben Sie womöglich ganz andere Erfahrungen gemacht?
In der Tat, hat der Lockdown hier in Irland meine Arbeitsroutine nicht nachhaltig verändert. Während Musiker, Performer und Kulturschaffende in den Städten natürlich sehr negativ betroffen waren, haben der reduzierte Termindruck durch verzögerte Aufträge, weniger Wettbewerbstermine und die Ruhe an der sonst touristischen Westküste meine Kreativität als Bildhauer und Plastiker sogar vorteilhaft beeinflusst. Da meine Arbeiten stark von der Irischen Landschaft und der Folklore des Landes geprägt sind, war diese Zeit ideal, um die Umgebung auf dem Wasser mit dem Currach zu erkunden, zu zeichnen und mit traditionellen und archäologischen Methoden zu experimentieren. Mehr Zeit, um im Garten zu arbeiten, hat auch Erinnerungen an die cottage farms und Selbstversorger zurückgebracht, die ich in den 90er-Jahren hier an der Atlantikküste noch viel erlebt habe. Der Lockdown hat den Zwiespalt von kreativer Arbeit und Leben überbrückt, der sich über die Zeit, vor allen in den Celtic-Tiger-Jahren, aufgetan hat.
Nachhaltigkeit spielt in Ihren bisherigen Arbeiten eine große Rolle. Inwiefern kann die Kunst einen Beitrag zum gesünderen Miteinander von Mensch und Natur beitragen und wie sehen Sie ihre ganz persönliche Rolle in diesem System?
Alle Branchen der Kunst können unsere vergangene und gegenwärtige Beziehung zur Natur sowohl darstellen, bewusst erklären als auch kritisch hinterfragen. Sie kann in der gegenwärtigen katastrophalen Umweltkrise, in der wir uns befinden, vielleicht sogar helfen, Lösungen zu finden – viele Künstler sind gewohnt, unter zeitlichem und finanziellen Druck unkonventionelle Methoden anzuwenden, um ungewöhnliche Ergebnisse zu erzielen. Archäologie und Anthropologie spielen für mich hier eine besondere Rolle. Sustainable Practice – regenerative Methoden, die keinen langfristigen oder zumindest reparablen Abdruck in einem regional begrenzten Ökosystem hinterlassen, gemeinsame Ressourcen und soziale Strukturen schonen, waren geschichtlich von großer Wichtigkeit für das Überleben und die Entwicklung einer Kultur. Fur mich ist Brundtland’s klassische Definition ökonomischer, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit aber notwendigerweise noch eng mit einer kulturellen Dauerhaftigkeit und regionalen Entwicklung verbunden – hier kommen also wieder die Kunst und Kultur ins Spiel. Wir können von der Kulturgeschichte und Anthropologie lernen, unsere Methodik, Arbeitsweisen und Nutzung gemeinsamer Ressourcen positiv zu ändern – nicht nur aus ökologischen, aber auch aus ethischen und sozialen Gründen – mittelfristig und für kommende Generationen.
Ich versuche, solch einen Paradigmenwechsel, wenn auch nur in kleinen Schritten, in meiner Arbeit und meinem Lebensstil einzuführen. Für meine öffentlichen Arbeiten nutze ich seit zehn Jahren den Eisenzeitlichen Repoussé-Prozess, eine Form von Bronze-Treibarbeit anstelle von Gussbronze, der den Material- und Energieverbrauch um 60 Prozent verringert. Durch Experimentelle Archäologie habe ich eine Bronzeguss-Methode fur Plastiken entwickelt, die fast CO2 neutral ist und nur örtlich vorhandene und regenerative Materialien benötigt. Currachs, zum Beispiel – die traditionellen Boote Irlands seit dem Mesolithikum – bestehen fast vollständig aus lokalen, regenerativen und wiederverwendeten Materialien (Haselruten, Stoff oder Leder, Holz). Sie können günstig in Selbstbauweise hergestellt werden und sind daher eine umweltfreundliche und soziale Alternative für Freizeit auf dem Wasser. Ich rudere und segle selbst seit 20 Jahren und habe über 40 Currachs mit Gemeinden und Interessengruppen gebaut.
Seit 1995 leben und arbeiten Sie in Irland. Was hat Sie an der grünen Insel so fasziniert, dass Sie hinziehen wollten und was hält Sie seitdem dort?
Es fing alles mit einen Auslandsjahr als Student in Belfast an! Dort ist mir bewusst geworden, dass mein Interesse mehr in der Bildhauerei als in der Architektur lag. Irland war zu dieser Zeit im Umbruch: Nordirland war noch in den letzten Jahren der „Troubles“ vor dem Good Friday Agreement. Neben der vielfältigen Landschaft und den Menschen bemerkte ich, dass viele alte Traditionen und Handwerke hier länger als in anderen industrialisierten Ländern überlebt haben, vor allem in den Küstenregionen. Sehr früh fand ich Interesse an den Currachs und begann, diese Boote zu bauen und an der Küste und auf den Inlandseen zu nutzen. Obwohl ich im Sauerland aufgewachsen bin, ist mir der Atlantik sehr schnell ans Herz gewachsen! Irland war natürlich auch ideal, wenn man wie ich Interesse an Kulturgeschichte hat, und die Currachs und die experimentelle Archäologie haben mir im Laufe der Jahre viele Türen geöffnet und Freunde gebracht. It’s a small world – mit weniger als fünf Millionen Einwohnern ist das Land klein und Frigyes Karinthy’s sechs Trennungsgrade sind meist nur ein oder zwei hier… Über die Jahre habe ich in acht verschiedenen Counties gelebt, und seit vier Jahren lebe ich nun an der Küste von Kerry, wo ich mit meiner Partnerin Karen ein 200 Jahre altes Haus renoviere, einen kleinen Garten anbaue und als Bildhauer arbeite. Die Iveragh Halbinsel hat viel zu bieten: Berge, Meer und Inseln und ist außerdem noch recht dünn besiedelt. Auch die Irische Sprache hat sich hier noch etwas gehalten, was für mich als Lernenden hilfreich ist. Nach 25 Jahren fühle ich mich nun sehr verwurzelt hier und habe daher vor zwei Jahren auch die irische Staatsbürgerschaft angenommen.
Interview: Tourism Ireland
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