Die Integration neuartiger Luftfahrzeuge im Flugverkehr erfordert deutliche Veränderungen des Luftverkehrssystems. In den kommenden Jahren werden die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam erforschen, wie das Luftverkehrssystem so umgestaltet werden kann, dass es diesen neuen Herausforderungen gerecht wird. Zu diesem Zweck haben die beiden Institutionen 2020 eine Vereinbarung über eine enge Forschungskooperation unterzeichnet.
Ein Luftverkehrssystem für alle
In den letzten Jahrzehnten hat das Luftverkehrssystem das stetige Wachstum des konventionellen Luftverkehrs dank kontinuierlicher Weiterentwicklungen gut bewältigt. Künftig werden jedoch neue Nutzer wie Leichtflugzeuge, Lufttaxis (Urban Air Mobility), unbemannte Luftfahrzeuge (Unmanned Aircraft System, UAS) unterschiedlicher Größe und auch Überschallflugzeuge neue Transportmöglichkeiten schaffen sowie zusätzliche Anforderungen an unser gegenwärtiges Flugverkehrsmanagementsystem stellen. Das Luftverkehrssystem steht daher vor einer Vielzahl völlig neuer Herausforderungen, da neuartige Luftfahrzeuge zusätzliche Aufgaben, technische Fähigkeiten und Betriebsweisen mit sich bringen.
„Ein solcher Luftverkehrsmix wirft eine Reihe neuer Fragen über die Art und Weise auf, wie solche Flugzeuge in der Luft interagieren werden“, sagt Prof. Dr. Dirk Kügler, Leiter des DLR-Instituts für Flugführung. „Im Rahmen dieser Vereinbarung werden die NASA und das DLR gemeinsam die Rahmenbedingungen für ein zukünftiges Luftverkehrssystem gestalten, das die von den neuen Teilnehmern geforderte operationelle Vielseitigkeit bietet. Unser neues System soll skalierbar, flexibel und belastbar sein, ohne die Sicherheit heutiger oder zukünftiger Luftfahrzeuge zu beeinträchtigen.“
So werden sich beispielsweise agile Flugtaxis aufgrund ihrer besonderen Charakteristika anders durch den Luftraum bewegen können als der heute übliche Luftverkehr. Ihre Größe und Flugeigenschaften versprechen in urbanen Umfeldern Vorteile bis hin zum „Umfliegen“ von Verkehrsstaus. Solche Luftverkehrsteilnehmer sicher und effizient zu betreiben, ohne den bisherigen Verkehr einzuschränken, ist allerdings eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der eine Vielzahl von Randbedingungen beachtet werden müssen.
Im Rahmen der Kooperation werden deutsche und amerikanische Forscher gemeinsam Werkzeuge entwickeln und Schnellzeitsimulationen für ein zukünftiges, umfassendes Luftraum- und Verkehrsmanagementsystem durchführen. Beides wird dazu beitragen, ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen eines Mischverkehrs zu erlangen und neu erarbeitete Konzepte für dieses System adäquat zu bewerten. Ziel der Kooperation und der gemeinsamen Arbeiten ist es, in Europa und den USA möglichst schnell zu innovativen Lösungen zu gelangen, die der prognostizierten Vielzahl von neuen Luftverkehrsteilnehmern gerecht werden und gleichzeitig das weitere Wachstum in der traditionellen Luftfahrt nicht beeinträchtigen.
Während die NASA im US-amerikanischen Raum seit 2015 ein flächendeckendes Verkehrsmanagement für Drohnen (UTM – Unmanned Traffic Management) entwickelt, integriert und validiert, befindet sich im europäischen Bereich ein ähnliches Konzept, genannt U-space, länderübergreifend im Aufbau. Beide Konzepte folgen der Zielsetzung, neue Luftverkehrsteilnehmer sicher und effizient in den bestehenden Luftraum zu integrieren. Ein gegenseitiger Austausch zu Erfahrungen, Strategien und Technologien ermöglicht es beiden Partnern, die Transformation des Luftverkehrssystems bestmöglich zu gestalten.
Partner setzen auf erfolgreiche Vorarbeiten
Als Teil der Zusammenarbeit wird die NASA auf den Vorarbeiten des Projekts Air Traffic Management – eXploration (ATM-X) aufbauen. In dem Projekt arbeitete die NASA bereits erfolgreich an einer dienste-orientierten Architektur für ein UAS-Verkehrsmanagementsystem. Eine solche Architektur sieht vor, dass individuelle Dienste für unbemannte Luftfahrzeuge von Nutzern, Dienstanbietern und Behörden erbracht und nahtlos in einem Gesamtsystem integriert werden. In Zusammenarbeit mit dem DLR wird dieses Paradigma nun auch auf alle anderen Luftraumnutzer angewendet.
Das DLR stützt sich seinerseits vor allem auf Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem laufenden Projekt City-ATM. Im Rahmen dieses Projekts arbeitet das DLR seit 2018 an der Definition und Validierung von betrieblichen und technischen Konzepten, um Drohnen in urbanen Gebieten zu betreiben. Im Fokus stehen dabei unter anderem die Informationsbereitstellung, die Verkehrsflusssteuerung sowie die Entwicklung der Infrastruktur für Kommunikation, Navigation und Monitoring.