Die Naturlandschaft Tüskendör liegt an der östlichen Seite Borkums und hat sowohl auf der Watt- wie auf der Landseite malerische Landschaften, die jeweils ihren eigenen Charme besitzen. Um die schöne Natur und den Lebensraum auf dem Land zu bewahren, mussten die Ostfriesen schon vor langer Zeit anfangen große Sand- und Erdwälle an den Küsten zu errichten. Diese Deiche schützen die dahinter gelegenen Landflächen und Inseln vor der unbändigen Kraft des Blanken Hans – wie die tobende Nordsee bei Sturmfluten genannt wird. Auch die Borkumer Insulaner mussten sich vor den Naturgewalten schützen und errichteten Deiche, um die Insel zu sichern. Eine Besonderheit ist der Hinterwall und der Hindenburgdamm im Norden, zwei künstlich angelegte Dünenketten in der Nähe des Flugplatzes. Borkum war nämlich bis zu den 1860er Jahren in zwei Inseln geteilt. Zwischen dem Westland und dem Ostland lag eine etwa ein Kilometer lange Wasserfläche, die nur bei Niedrigwasser zu Fuß passierbar war. Genannt wurde dieser Kanal Tüskendör, was Plattdeutsch ist und zwischendurch bedeutet
Um die beiden Inselteile zu vereinen, hat die Inselgemeinde dem Wasser mit Strohbündeln und Einpflanzen von Strandhafer langsam Einhalt geboten. Um eine dauerhafte Verbindung herzustellen wurde erst der Hinterwall errichtet und im Anschluss der Hindenburgdamm, der noch heute deutlich vom FKK-Strand aus zu erkennen ist. In den 1930er Jahren wurde der heutige ältere Sommerdeich aufgeschüttet, der aufgrund mehrerer Deichbrüche 1977 durch den neuen Seedeich abgelöst wurde, der bis heute vor Hochwasser schützt. Um Kosten einzusparen, entnahmen die Arbeiter das Material für den Bau der Deiche vor Ort. Durch diesen großen Aushub entstanden mit der Zeit der Tüskendörsee und der Hoppsee – heute der Angelteich. Aufgrund der Verbindung zum Meer durch ein Siel, ist der Tüskendörsee mit Brackwasser gefüllt. Das heißt, dass hier Süßwasser mit Salzwasser gemischt wurde und der Salzgehalt geringer als im Meer ist. Dadurch hat sich eine unzählige Anzahl an Salzwiesenplanzen und Süßwasserpflanzen angesiedelt.
Die Pflege der Deiche in Ostfriesland musste damals von den Landbesitzern durchgeführt werden. Jeder, der ein Stück Land am Deich besaß war verpflichtet sich um den unversehrten Zustand des Deiches zu kümmern. Wer dieser Pflicht nicht nachkam, wurde enteignet und von der Gemeinschaft ausgeschlossen. An dieses Gesetz wird noch heute an der Deichscharte in einem Mosaik erinnert. Auf diesem steht: „Well nei will dieken, de mutt wieken!“. Was so viel bedeutet wie: „Wer nicht deichen will, muss weichen!“. Das frei gewordene Stück Land wurde nach dem Ausschluss des vorherigen Besitzers an einen neuen Eigentümer übergeben. Dieser musste sich dem Deich ebenfalls verpflichten.
Das künstlich angelegte Biotop rund um den Tüskendörsee ist ein wahres Paradies für zahllose Seevögel. Hier können die Vögel ohne Bedrohungen rasten, brüten und nach Nahrung suchen. Der See ist ein Biosphärenreservat und Naturschutzgebiet und unterliegt damit also einem besonderen Naturschutz. Die Landschaft und Tierwelt können am besten vom Deich aus mit einem Fernglas bewundert werden. Das Naturschauspiel der Vogelschwärme auf den Weiden und Wiesen hinter dem Deich, ist ein atemberaubendes Freilichttheater. Tausende von Vögeln landen gleichzeitig, um auf Borkum zu brüten oder hier eine Rast einzulegen. Hier fressen sie sich innerhalb weniger Wochen wieder genügend Fettreserven an, um weiter zu ihren Brutgebieten zu fliegen. Dabei legen sie innerhalb weniger Tage mehrere Tausend Kilometer zurück. Borkum ist also für die Zugvögel eine wichtige Energietankstelle auf ihrer langen und kraftraubenden Reise.
Aber nicht nur Vögel können auf den Weiden und dem Deich beobachtet werden. Dass dieser Teil der Insel für die Landwirtschaft genutzt wird ist nicht zu übersehen. Auf den Deichen grasen Schafe und Ziegen, die als natürliche Rasenmäher fungieren und sind durch einen Elektrozaun eingezäunt. Füttern der Schafe und Ziegen ist nicht erlaubt, da die Tiere durch falsche Nahrung krank werden können. Viel lieber fressen sie das saftige Grün des Deiches. Auch ist es nicht ratsam den Zaun zu berühren, da dadurch ein leichter Elektroschock durch den Körper geleitet wird. Auf den Weiden grasen dagegen die Borkumer Rinder und auch einige Pferde, die hier reichlich Auslauf und genügend saftige Wiese zu grasen bekommen.
Unter dem Deich führt ein Rad- und Wanderweg entlang, der bis zur Aussichtsdüne Steerenk-Klipp führt. Alternativ führt direkt auf dem Deich ebenfalls ein Weg entlang. Dieser ermöglicht den Besuchern einen fantastischen Blick auf das Grünland der Insel und die Salzwiesen mit dem dahinter liegenden Watt. Wer den Deich nicht bis zum Ende fahren möchte, kann eine Abkürzung Richtung Ostland nehmen. Auf halber Strecke befindet sich eine Kreuzung mit einem Informationsstand. Hier befinden sich spannende Informationen über diese wunderschönen Naturlandschaften. Auf Höhe des Tüskendörsees befindet sich das Tüskendör Siel. Besonders spannend ist es bei gerade einsetzendem Tidenwechsel. Denn dann schließen, beziehungsweise öffnen sich die hölzernen Sieltore wie von Geisterhand. Durch das auflaufende Wasser erhöht sich der Wasserdruck und drückt das Tor zu. Sobald der Druck bei ablaufendem Wasser wieder sinkt öffnet sich das Sieltor wieder und das Wasser kann wieder aus dem Tüskendörsee in das Watt abfließen.